„Der Pokal hat bekanntlich seine eigenen Gesetze“ – hierbei handelt es sich zwar um eine klassische Binsenweisheit aus der Welt des Sports, trotzdem ist der Spruch wahrer denn je.
Erstveröffentlichung am 17.9.2018 auf mytischtennis.de
Nach der siebten Regeländerung in den letzten vier Jahren ist sich Mannschaftsführer Eberhard nämlich etwas unsicher, nach welchen Gesetzen – bzw. nach welchem System – der diesjährige Pokal eigentlich ausgespielt wird. Vermutlich werden drei Spieler benötigt, doch um auf Nummer sicher zu gehen, hat er lieber vier Spieler organisiert. Besser gesagt: Versucht zu organisieren, denn der Pokal ist bei den „Regenwürmern“ der „Dritten“ der SG Eintracht Regenbach/Wurmtal von 1953 nicht gerade beliebt – komisch eigentlich, hat man doch in den vergangenen Jahren nur ganz selten mehr als ein Spiel bestreiten müssen.
Gegen den eine oder zwei Ligen höher spielenden Gegner hat sich der ehrgeizige Jungspund Malte verständlicherweise keinerlei Chancen ausgerechnet, seinen TTR-Punktestand zu verbessern, und sich deshalb auch pünktlich zum Spieltag eine saudumme Erkältung eingefangen. Also wirklich saudumm! Das vielbeschäftigte Multitalent und die Nummer Eins Basti wiederum hätte sich zwar über ausnahmsweise gleichwertige Gegner gefreut – doch da es im Pokal aus seiner Sicht sowieso um nichts geht (also um noch weniger als in der Punkterunde der zweiten Kreisliga), hat er Eberhard abgesagt und unterstützt lieber seine Handball-Landesliga-Mannschaft. Routinier Rüdiger ist wie an jedem Hallentag vor Ort, er hat nur still genickt als Eberhard ohnehin nur pro Forma seine Verfügbarkeit abgefragt hat.
♦ Wer spielt? ♦
„Big Papa“ Klaus-Dieter wiederum muss seine spärliche Zeit auf Grund familiärer Verpflichtungen (Elternabend in der Kita, Weihnachtskonzert in der Schule, Fußpflege für seine Frau, Betriebsausflug für ihn selbst) soweit wie möglich einschränken, da hat so ein Erstrunden-Pokalspiel natürlich in etwa Prio 4C – höchstens. Hotte wiederum war beim ersten Saisonspiel vergangene Woche alles andere als zufrieden mit sich. Die Ergebnisse mögen zwar gestimmt haben, doch von seinem Streben nach dem perfekten Spiel war Hotte weiter entfernt als die Erde vom Mars. So hat er seinem Captain zu verstehen gegeben, dass er zwar in der Halle sein wird, sich aber eigentlich dringend abseits von profanen Pflichtspielen in Ruhe seiner Technik widmen möchte, auf ihn ist also nur im äußersten Notfall zurückzugreifen.
So kommt es, dass Eberhard den durchaus talentierten Valentin verpflichtet hat. Der ist zwar erst zwölf und nicht immer ganz regelkundig. Technisch jedoch steckt er bis auf Sportskanone Basti sicherlich alle Mannschaftmitglieder bereits locker in die Tasche. Doch mal abwarten, wie er sich gegen Spieler schlägt, die vier Mal so alt sind und in etwa doppelt so viele TTR-Punkte haben wie er – Eberhard ist da ehrlich gesagt etwas skeptisch.
♦ Welches System? ♦
Mit dieser spritzigen Mischung aus Jung und Alt geht man natürlich als klarer Außenseiter in die Partie, die mit etwa 20 Minuten Verspätung beginnt, da der gegnerische Mannschaftsführer von einem für Eberhard völlig unbekannten Spielsystem schwadroniert hat. Erst nach langem und zähem Googeln (wie immer mit skandalösem Empfang in der Regenwürmer-Beton-Turnhalle aus den 70ern) stellt sich heraus, dass man doch eigentlich vom gleichen spricht, wenn man vom modifizierten Trallala-System oder von der klassischen Pipapo-Variante mit Schlussdoppel redet. Gut für Hotte: Es werden doch nur drei Spieler benötigt, er kann sich in aller Ruhe sich selbst widmen. Wenn er alles richtig verstanden hat, so hat man das Pokalspiel im aktuellen System wohl bei dreieinhalb oder auch erst bei viereinhalb Punkten gewonnen, abhängig davon ob … – aber da hat Hotte dann schon nicht mehr richtig zugehört.
Die eigentliche Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: Um das Schlussdoppel musste man sich jedenfalls schon mal keine Sorgen machen. Denn zunächst sind Eberhard und Rüdiger in ihren Spielen so deutlich unterlegen, dass ihre jeweiligen Gegner im dritten Satz auffällig viele Aufschlagfehler einstreuen, um ein für alle Beteiligten gesichtswahrendes Ergebnis zu erzielen. Anschließend treibt der kleine Valentin dann seinem circa fünf Mal so schweren Gegner mehr als nur ein paar Schweißperlen auf die hohe Stirn. Als es für den armen Mann dann richtig eng wird, stellt er unvermittelt auf Ballonabwehr um. Ab diesem Zeitpunkt gelingen dem Sechstklässler insgesamt keine vier Punkte mehr und er wird den Tränen nahe von seiner selbstverständlich seit Stunden anwesenden Mama getröstet.
♦ Warum ist Valentin schon wieder dran? ♦
Aus irgendeinem niemand verständlichen Grund muss Valentin dann jedoch gleich nochmal antreten und bekommt für seinen dritten Satzgewinn am heutigen Abend anscheinend einen Viertelpunkt zugesprochen. Oder war es ein Drittelpunkt für seinen vierten Satzgewinn? Während Eberhard noch über dem Spielberichtsformular grübelt ist Valentins Match dann aus und das Pokalspiel endgültig verloren. Nun ist es Valentins Mama, die von ihrem Sohnemann getröstet werden muss – vermutlich wird es nun doch nichts mit der ganz großen Sportlerkarriere, da hatte sie gerade eine kleine Erleuchtung.
So bleibt Eberhard nur noch, die heute leider nicht anwesenden Teamkameraden in der gemeinsamen WhatsApp-Gruppe über den Spielverlauf sowie das Endergebnis zu informieren. Den Zweitrunden-Termin Mitte Oktober müsse man sich nun auch nicht weiter freihalten. Natürlich ertönt sofort Enttäuschung und gar nicht mal so leise Kritik an der von Eberhard gewählten Aufstellung. Wer ist eigentlich dieser Valentin und warum hat der seine beiden Spiele verloren? Und überhaupt, wirklich schade: Spätestens bei einem Halbfinale oder Finale hätte man im Frühjahr selbstverständlich in Bestbesetzung antreten können!
Bisher in der Reihe „Die Phasen einer Tischtennis-Saison“ erschienen: