Der sportliche Teil eines jeden Tischtennis-Turniers endet natürlich mit dem Finale. Doch ob und – wenn ja – wie man dieses Ende erlebt, kann grob gesagt in drei Kategorien eingeteilt werden.
Erstveröffentlichung am 03.01.2022 auf mytischtennis.de
Erstens: Man befindet sich auf der Heimfahrt oder sogar schon wieder auf der heimischen Couch. Sportlich hatte dieser Tag nämlich einmal mehr nicht die gewünschten Erfolge gebracht, vom morgigen TTR-Wert hat man heute Nacht vermutlich Albträume und obendrein tut die rechte Schulter weh. Eventuell liest man ein paar Tage später im lokalen Käseblatt, dass doch tatsächlich dieser eine Blinde das Finale gewonnen habe, gegen den man in der Vorrunde so unglücklich unterlegen und damit ausgeschieden war. Das macht die ganze Sache natürlich umso schmerzhafter.
Zweitens: Man ist zwar ebenfalls früh bis sehr früh ausgeschieden, befindet sich aber gezwungenermaßen immer noch in der Halle. Man hatte nämlich den Fehler gemacht, gemeinsam mit einem der Turnierfavoriten anzureisen. Nun sitzt man frisch geduscht und frisch deprimiert am Rand und beobachtet seinen Mitfahrer dabei wie er im Finale seinen Gegner nach allen Regeln der Kunst zerlegt und anschließend einen schönen Pokal überreicht bekommt. Schön für ihn, doch leider hatte man sich selbst als Fahrer angeboten, so dass man die vergangenen vier Stunden der durchwegs kümmerlich organisierten K.O.-Phase noch nicht einmal mit ein wenig Alkohol beschleunigen konnte.
Drittens: Man ist tatsächlich dabei. Im Finale. Als Spieler. Und zwar völlig legitim und auch noch sportlich zurecht. Wahnsinn! Nun steht man also kurz vor seinem größten sportlichen Erfolg der gesamten bisher so überschaubaren Karriere, nur noch Uwe von der Spielgemeinschaft steht dem Gewinn eines zwar sehr großen aber auch überaus hässlichen Pokals im Weg. Doch sei’s drum, Uwe ist eindeutig schlagbar, heute hat man eh schon einige Schwergewichte spielerisch beherrscht und dann souverän aus dem Weg geräumt, irgendwie scheint das dieser eine Tag zu sein.
Und dann? Ist man so nervös wie zuletzt beim ersten Date mit der süßen Jacqueline aus der Parallelklasse oder bei der Führerscheinprüfung. Die Schlaghand zittert so sehr, dass der anwesende Arzt beinahe umgehend einen Tremor diagnostizieren will. Im ersten Satz macht man zwei Punkte, einer davon war ein Aufschlagfehler des Gegners.
Was tun? Zunächst beratschlagt man sich mit seinem – glücklicherweise immer noch anwesendem – Fahrer Klaus-Dieter. Sportlich wertvolle Ratschläge kann er zwar nicht erteilen, doch rät er dazu, erstmal durch zu schnaufen, weiterhin kämpferisch zu bleiben und – ganz wichtig – unbedingt zu versuchen sein Spiel zu spielen. Man nimmt einen Schluck aus der zugereichten Pulle – eindeutig kein Wasser! – und dann noch einen und dann zur Sicherheit noch einen und tritt wieder an den Tisch.
Zunächst läuft das Spiel so weiter wie bisher. Nämlich überhaupt nicht. Doch irgendwann gegen Mitte des zweiten Satzes scheint der Alkohol zu wirken zu beginnen. Das Zittern in der Hand hört auf, es macht sich ein wohliges Gefühl voller Selbstvertrauen im Körper breit, langsam gewinnt man eine gewisse Sicherheit. Leider geht der Satz knapp verloren, doch die Hoffnung lebt jetzt wieder.
In der Satzpause erneut wertlose Tipps von Klaus-Dieter sowie wertvolle weitere Flüssigkeitszufuhr. Zurück am Tisch scheint nun das Spiel zu kippen. Plötzlich kommen die Bälle die kommen müssen, traut man sich etwas zu, zeigt dem irritierten Uwe, dass man noch nicht aufgegeben hat. Der Satz wird gewonnen, es geht weiter.
Satzpause, Mitfahrer Klaus-Dieter hat für flüssigen Nachschub gesorgt, denn das Schlimmste in so einem Finale wäre natürlich vorzeitige Dehydration. Die Zunge ist nun genauso locker wie die Schlaghand, trotz Satzrückstand ist man sich in seinem Optimismus einig und in der Tat: Mit einer ganz starken Vorstellung holt man sich den Satzausgleich.
Auch die letzte Satzpause wird intensiv genutzt für die Flüssigkeitsaufnahme, spielerisch und taktisch ist ja jetzt eh alles klar. Zu Beginn des Entscheidungssatzes schleichen sich unerklärlicherweise einige Flüchtigkeitsfehler ein, irgendwie schien der Ball auch komisch wegzuspringen. Uwe spielt doch keine Noppen, oder!? Ein letzter Seitenwechsel, ein letzter Schluck, das Spiel steht Spitz auf Knopf. Doch nun gerät man Rückstand, verliert Punkt um Punkt und trifft auch plötzlich nichts mehr. Lautstarkes Fluchen setzt ein, man wird doch nicht diese einmalige Chance…!
Noch dazu fängt die Blase an zu drücken. Erstmal Auszeit! Wieder Beratschlagung mit Klaus-Dieter, auf dessen Bitte doch etwas leiser zu reden und nicht so zu brüllen reagiert man zunehmend unwirsch, beim Zurückklettern in die Box stolpert man über die Banden. Nach ein, zwei wilden Bällen hat Uwe Matchball und latürnich schenkt man ihm den Sieg mit einem Fehlaufschlag.
An den weiteren Verlauf des Abends hat man auch zwei Tage später allerhöchstens rudimentäre Erinnerungen, die Urkunde für den zweiten Platz ging irgendwo verloren und auch den gewonnen Fresskorb hat man aus Versehen in der Halle stehen gelassen. Man schiebt dies alles auf den Tunnel in dem man sich nach dieser ebenso historischen wie heroischen Niederlage befand.
Bis einen die Gattin auf einem Artikel im Lokalsportteil des Käseblattes aufmerksam macht, Überschrift: „Schande bei der Kreismeisterschaft: Betrunkener Spieler im Finale!“ Doch ihre Frage „Schatz, hast du da irgendetwas mitbekommen?“ hört man schon gar nicht mehr in seinem neuerlichen Tunnel.
In dieser Serie bereits erschienen:
Die Phasen eines Tischtennis-Turniers – Folge #1: Die Anfahrt
Die Phasen eines Tischtennis-Turniers – Folge #2: Das Einspielen
Die Phasen eines Tischtennis-Turniers – Folge #3: Die Vorrunde
Die Phasen eines Tischtennis-Turniers – Folge #4: Die Mittagspause
Die Phasen eines Tischtennis-Turniers – Folge #5: Die Doppelrunde
Die Phasen eines Tischtennis-Turniers – Folge #6: Die KO-Runde