Der TTR-Wert

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Das Leben mit dem TTR-Wert ist für die meisten Tischtennis-Spieler nicht einfach, ganz im Gegenteil. Aber ohne ihn? Geht es eben auch nicht.

Es ist wie eine On-Off-Beziehung zu einer Freundin, von der man einfach nicht loskommt. Jahrelang. Immer wieder on. Dann wieder off. Und dann wieder von vorne.

Da haben es eingefleischte TTR-Singles natürlich leichter: Sie wissen prinzipiell, dass es den TTR-Wert gibt, vielleicht haben sie sogar eine vage Ahnung davon, wie er berechnet wird oder wissen grob wo sie punktemäßig in etwa stehen. Doch würden sie sich eines Tages wirklich entscheiden, nachsehen zu wollen: Die TTR-Singles wüssten noch nicht einmal, wo sie dies tun könnten. Es interessiert sie einfach nicht. Premium-Mitglied? Pah!

♦ Manch einer ist gar mit seinem TTR verheiratet ♦

Am anderen Ende des Feldes stehen die seit gefühlten Jahrzehnten mit dem TTR-Wert Verheirateten. Sie leben mit ihm einträglich nebeneinander her, es gibt die üblichen Höhen und Tiefen und ab und zu kommt man sich eben mal in die Haare, doch meistens akzeptiert man die Anwesenheit des anderen so wie er ist. Im Extremfall ist die Kommunikation eventuell auf ein Mindestmaß zurückgefahren, und manchmal guckt man sich sogar klammheimlich nach einer neuen Liebschaft um. Doch ehe man sich versieht, sind 25 TTR-Quartale vergangen und man feiert silberne Hochzeit – wobei „feiern“ nun auch etwas übertrieben ist für ein Bierchen vor dem Fernseher, während auf „Eurosport“ mal wieder Snooker oder Curling statt Tischtennis läuft.

Doch die meisten Kreisliga-Recken stecken eben in dieser On-Off-Beziehung mit ihrem TTR-Wert fest. Und das seit Jahren. Kommen einfach nicht heraus aus diesem ewigen Teufelskreis.

♦ In guten wie in schlechten Zeiten ♦

Da gibt es nämlich die guten Wochen, einerseits. Es läuft einfach an der Platte, und morgens blickt man verliebt wie am ersten Tag auf dem Handy auf seinen frisch geschminkten TTR-Wert. Man lächelt selig und startet mit einem guten Gefühl in den Tag. Fühlt sich unbesiegbar und lässt sich vom idiotischen Chef in der Arbeit nicht weiter stören, weiß man doch: Da gibt es jemanden, der wartet auf mich, abends, in der verschwitzten Turnhalle, der will von mir Zuneigung und bekommt sie. Im Gegenzug erhält man selber wieder einige Punkte hinzu.

Trotzdem kommt es früher oder später wieder und wieder zum großen Krach: Ein bitter verlorener Fünfsatzkrimi nach hoher Führung gegen einen kreisweit bekannten Blinden wird zum Anlass genommen, schon lange aufgestaute Spannungen zu lösen. War man wirklich so gut wie es der TTR-Wert wochenlang vorgaukelte? Oder die Gegner nur so schwach?  Wie dem auch sei, nun löst sich alles unter mächtigem Getöse auf, eventuell fliegen sogar Schläger und gehen zu Bruch.

Nach weiteren üblen Vorkommnissen – per Netzroller und Kantenbällen verlorenen Matches – ist klar, dass man Distanz braucht voneinander. Es geht einfach nicht mehr so weiter, zusammen. Machen wir eine Pause, einigt man sich.

Und dann herrscht wochenlange Funkstille.

♦ Funkstille? Standhaft bleiben! ♦

Man ignoriert ihn noch nicht einmal, den TTR. Selbst wenn sich weitere Verschlechterungen anbahnen und die erneute Aufstellung in der zweiten Mannschaft zur neuen Saison in Gefahr sein könnte. Egal! Da muss man nun standhaft bleiben. Soll er doch den ersten Schritt machen!

Selbst die ersten überraschenden Annäherungsversuche wie z.B. ein völliger Überraschungserfolg gegen seinen etwa 200 Punkte (so genau weiß man das ja nicht) höher eingestuften Angstgegner lassen noch nicht einmal die Hände zucken, die vermaledeite Handy-App zu öffnen. Nein, nein, so schnell kriegt er mich diesmal nicht wieder rum. Auch eine wochenlange Erfolgswelle kann zunächst keine sichtbaren Fortschritte in der Beziehung bringen. Über Monate verschwendet man fast keinen Gedanken an den TTR-Wert.

♦ Ein Neuanfang? ♦

Bis man sich eines Tages zufällig wieder über den Weg läuft. Wenn die Q-TTR-Vereinsrangliste irgendwo in der Halle ausliegt oder man bei einem Turnier die Teilnehmerliste studiert. Und plötzlich ist  man schlagartig wieder unsicher. Sind da etwa doch noch Gefühle im Spiel? Befindet man sich wirklich auf dieser Seite der so mächtigen Hunderter-Schwelle? Kann es in Zukunft vielleicht doch wieder besser laufen? Gemeinsam?

Und einen weiteren guten Punktspielabend später liegt man sich nachts wieder in den Armen und wacht am nächsten Morgen zufrieden nebeneinander auf. War doch gar nicht so schlimm, oder!? Dieses Mal klappt es bestimmt mit uns beiden, mit dem TTR-Wert und mir…