Nach zahllosen sehr oder gar extrem ehrgeizigen Tischtennis-Jahren erreicht jede Tischtennis-Karriere einmal eine Phase, in welcher der Ehrgeiz etwas nachlässt.
Erstveröffentlichung am 22.06.2020 auf mytischtennis.de.
Oder sagen wir: etwas mehr nachlässt. Dies ist oftmals in den Fünfzigern der Fall, wenn der Körper eben auch etwas nachlässt. Oder gar etwas auseinandergeht, auf jeden Fall aber definitiv nicht mehr der Körper eines Zwanzigjährigen ist – oder wenigstens der eines Dreißigjährigen.
Da hilft es nur, die eigene Situation richtig einzuschätzen und sich mehr auf anderes als nur spielerische Stärken zu besinnen. Auf das Coaching der Mitspieler beispielsweise, das Training der Jugend, das ein oder andere semi-wichtige Funktionärsamt (Gerätewart, Turnierwart, Seniorenwart, etc.) – oder, wem dies alles viel zu stressig erscheint, der konzentriert sich einfach auf das Gesellige. Auf die dritte Halbzeit eben. Nach dem Spiel, in der Kneipe. Oder wo auch immer.
So kann es vorkommen, dass man nach dem Training oder Spiel in geselligen Runden im Vereinsheim weit nach Mitternacht oftmals einen Haufen (maximal) Zwanzigjähriger antrifft, die einen einzigen Grauhaarigen (und ebenso -bärtigen) umringen und sich in bierseliger Stimmung Vereins-Legenden aus den Achtzigern erzählen lassen: von fröhlichen Gelagen trotz eher unfröhlichen Spielausgängen, von angeblich knapp verpassten Landesliga-Aufstiegen und ebenso unverdienten Bezirksliga-Abstiegen, von unvergessenen Vereinsmeisterschaften mit epischen Spielverläufen, von Abschlussfahrten ins tiefste Osteuropa (15 km hinter die deutsch-tschechische Grenze), von stundenlangen Heimfahrten in sehr zweifelhaftem Allgemeinzustand von Auto und dessen Fahrer, von Intrigen gegen die damalige – offenkundig unfähige – Abteilungsleitung, von längst untergegangenen Vereinen in längst abgerissenen Turnhallen, kurz: von einer Zeit eben, als der gesellige Mittfünfziger noch ein feierwütiger (maximal) Zwanzigjähriger war.Mit den jungen Hüpfern in die „Disse“
Nun arbeitet er daran, ein beinahe ebenso feierwütiger Mittfünfziger zu werden und lässt sich, als die Kneipe zusperrt, sogar zu einem Ausflug in die örtliche Disco „Universum“ überreden. Kurz nachdem er einen völlig überteuerten Eintritt für viel zu laute und vor allem viel zu schlechte Musik gezahlt hat (kennt denn hier keiner mehr die „Stones“?) nimmt er dort, als sein eben wirklich nicht mehr zwanzigjähriger Körper es vehement einfordert, erstmal eine Mütze Schlaf sitzend an einem Bistrotisch – und das, obwohl auf diesem Tisch eine wirklich äußert aufreizend gekleidete Zwanzigjährige tanzt. Wenigstens kann er seiner Doris am nächsten Nachmittag – kurz nach dem Frühstück – wahrheitsgemäß beteuern, dass er die jungen Dinger in der „Disse“ selbstverständlich keines Auges gewürdigt habe.
Im nächsten Tischtennis-Training ist der Disco-Ausflug dann natürlich das Topthema der anwesenden Spieler: Der gesellige Mittfünfziger muss wieder und wieder erzählen, wie irritiert die Putzkraft war, als ihm auf der Toilette fünf Tischtennisbälle aus der Trainingsjacke purzelten und über den Fliesenboden hüpften und er sie hektisch wieder einzusammeln versuchte (3 Sterne-Bälle!), wie ihn der Barkeeper scherzhaft nach seinem Ausweis fragte, als er das zwölfte und dann auch noch das dreizehnte Bier bestellte, und wie ihn doch tatsächlich eine Ü30- oder Ü40- oder gar Ü50-Dame (so genau lässt sich das nicht mehr rekonstruieren) zum Tanzen aufforderte – trotz sichtlicher Schlagseite, trotz leicht müffelnder Sportbekleidung und trotz der gackernden begleitenden (maximal) Zwanzigjährigen im Hintergrund, die kurz davor waren, Haltungsnoten hochzuhalten. Glücklicherweise konnte er mit Verweis auf seine maroden Bandscheiben eine nun aber wirklich dringend anstehende Heimfahrt ankündigen – und das war noch nicht einmal gelogen. An den weiteren Verlauf des Abends (inklusive seiner Heimfahrt) hat er allerdings eine höchstens noch rudimentäre Erinnerung: Es kann sogar sein, dass man anschließend noch bis in die Morgenstunden beim „Carlos“ versackte. Oder auch nicht.
Beim nächsten Spiel, da schwört der Mittfünfziger trotz aller Geselligkeit Stein und Bein, wird er lieber wieder anschließend in der Vereinskneipe versumpfen. Vielleicht noch einen Skat kloppen oder drei „Laternen-Maß“ herumgehen lassen, ausführlich das vergangene Spiel analysieren oder einen Ausblick auf den Rest der Spielzeit wagen und von ihm aus kann er auch gerne noch mal alte und sogar sehr alte Geschichten wieder aufwärmen, als wären sie erst vorgestern geschehen. Aber auf keinen Fall wird er wieder mit den Jungens in die Disco mitkommen. War alles gut und schön und auch sehr lustig, doch seine an der Garderobe konfiszierte Sporttasche ist dann leider nicht mehr aufgetaucht.
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