Die Phasen einer Tischtennis-Karriere – Der unpässliche Familienpapa

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Nach einer tischtennistechnisch sehr intensiven und spannenden Zeit mit Ende Zwanzig beginnt für Konstantin demnächst ein neuer Lebensabschnitt. Nach zahllosen wochenlangen Fernreisen, in Unterhaltungselektronik investierte Unsummen sowie – natürlich – einem Karrierehoch in der Kreisliga-Tischtennismannschaft seiner Wahl, hat er nun doch tatsächlich vor eine Familie zu gründen.

Erstveröffentlichung am 13.04.2020 auf mytischtennis.de.

Beziehungsweise, was heißt schon vorhaben: viel mehr schwanger als Konstantins Verlobte Jessy geht eigentlich gar nicht.

Die Auswirkungen auf Konstantins Tischtennis-Karriere haben seine Mitspieler bereits in den letzten Wochen der vergangenen Saison miterleben, ja sogar miterleiden müssen: Statt sich wie vereinbart regelmäßig zum Training zu treffen, um irgendwie doch noch den anvisierten und durchaus möglichen Aufstieg in die Bezirksliga zu erringen, schob sich Konstantin mit seiner Jessy stundenlang durch Babyläden und klickte sich durch die Kinderbekleidungs-Seiten auf Amazon, besuchte zahlreiche Geburtsvorbereitungskurse und stellte sich mental bereits auf einen neuen Lebensabschnitt ein. Nun hat der örtliche SC zwar immer noch keine Bezirksliga-Mannschaft (das alles entscheidende Einzel im alles entscheidenden Punktspiel verlor Konstantin sang- und klanglos in drei kurzen Sätzen), dafür haben Konstantin und seine Liebste aber eine absolute Basisausstattung für den sehnlichst erwarteten Nachwuchs im Wert eines Mittelklasse-Kleinwagens.

Wer von seinen Mitspielern nun etwa geglaubt hatte, dass sich diese Fixierung auf das Häusliche und Familiäre zumindest einige Monate nach der Geburt des Babys wieder legen würde, sieht sich nun leider heftig getäuscht. Zwar war Konstantin die ersten Punktspiele der neuen Saison physisch anwesend, doch konnte von einer konzentrierten Leistung an der Platte wirklich nicht die Rede sein. Übermüdung dank nächtlicher Schreierei, elterliche Sorgen bei der kleinsten Temperaturschwankung des Kindes sowie die ausführliche Planung der Kita-Bewerbung ließen ihn ständig mehr als nur leicht abgelenkt wirken.

Und als dann der kleine Paul auch noch das Zahnen beginnt und sich die üblichen Sechsmonats-Koliken ankündigen, muss Konstantin seinem wenig überraschten aber natürlich auch wenig erfreuten Mannschaftsführer beibringen, dass er vorerst für den Rest der Vorrunde höchstens noch als Ersatzspieler in Frage kommt. Und dies auch nur im absoluten Notfall – und wenn der Kleine Bengel nachts wenigstens ein paar Stunden Schlaf zugelassen hat.

Nun, aus diesem „vorerst“ sind inzwischen fünf Jahre geworden. Zwar vermisst Konstantin ein bisschen die regelmäßige Bewegung an der Platte (sieht man auch) und das noch regelmäßigere Bierchen anschließend zusammen mit ein oder zwei Currywürsten mit Pommes (sieht man kaum), doch irgendetwas ist eben immer in so einer jungen Familie – und insbesondere immer irgendetwas Wichtigeres als die 1. Kreisliga, Staffel 2B im Kreis Nordwest. Gerade weil nach dem kleinen Paul dann eben noch Zwillinge folgten. Und ein Hund. Und ein chronisch erkältetes Meerschweinchen.

Wenigstens auf dem Abteilungs-Sommerfest ist Konstantin kürzlich tatsächlich mit Kind und Kegel vorbei gekommen. Aber nach eine kleinen alkoholfreien Radler, veganen Bratwürsten und einem sauberen Tobsuchtsanfall des kleinen Luca gefolgt von einem einwandfreien Tobsuchtsanfall des kleinen Sandro war dann auch dieser nette Abend außer Haus bald wieder vorbei.

Eigentlich geht Konstantin völlig auf in seiner Rolle als Familienpapa: buddelt stundenlang im Sandkasten, arbeitet nur noch Teilzeit, säubert liebevoll die Töpfchen der Kleinen und kann von regelmäßigen und vor allem ungestörten Kuscheln mit seiner Jessy nur noch träumen. Aber manchmal ertappt er sich dann doch dabei, wie er heimlich davon träumt, einen Freitagabend mal wieder mit einer eineinhalbstündigen Anfahrt bei starkem Schneefall mit Tempo 50 nach Hinternordingen zu verbringen, sich stundenlang auf viel zu kleinen Turnbänken den Hintern platt zu sitzen, ein verkorkstes Einzel gegen einen absolut schlagbaren Gegner unglücklich zu verlieren, mit der Mannschaft so zum wiederholten Mal den erhofften Aufstieg oder Nichtabstieg zu verpassen, anschließend bis weit nach Mitternacht in der örtlichen Dorfkneipe zu versumpfen und am nächsten Mittag mit einem miesen Kater vom Allerfeinsten bei Joe auf der Couch aufzuwachen und auf dem Handy 23 Anrufe in Abwesenheit zu haben. Ach, früher war einfach alles besser!


Bisher erschienen:

Der Knirps

Das talentierte Kind

Der pubertierende Jugendliche

Der übermotivierte 17-jährige

Der abwesende Student

Der ehrgeizige Endzwanziger

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