Lexikon der Tischtennis-Spielertypen – Folge #26
von Philipp Hell
In unserer Lexikon-Serie beleuchten wir die verschiedenen Spielertypen die uns im Amateur-Tischtennis so über den Weg laufen: Woran erkennt man sie, was zeichnet sie aus und warum sind sie so wie sie sind?
Heute in Folge #26: Der blutige Anfänger
Warum genau der blutige Anfänger überhaupt eines Tages beim Training aufgetaucht ist, ist eigentlich allen schleierhaft. Vermutlich in dem zweifelhaften Versuch, ein bisschen mehr Sport zu treiben und so etwas gegen den wachsenden Hüftspeck zu unternehmen. Und da hat er sich eben daran erinnert, dass er ja früher mit seinem Kumpel im Freibad gerne Tischtennis gespielt hat. Hat seinen Kaufhof-Schläger aus dem Keller geholt, seine einzige Sporthose sowie seine Wanderschuhe (mit dunklen Sohlen!) eingepackt und ist kurz vor Ende des Trainings in der Sporthalle erschienen.
Damit ist auch bereits alles über sein Spielniveau gesagt. Zwar stört es ihn nicht weiter, selbst gegen die schwächsten Spieler des Vereins absolut chancenlos zu sein, doch als Trainingspartner ist er offensichtlich nicht besonders beliebt – kommen doch kaum einmal Ballwechsel zu Stande welche diesen Namen verdienen.
Doch wenn die Not groß ist und mal wieder niemand Lust auf ein weit entferntes Auswärtsspiel hat, kommt der blutige Anfänger gar zu seinen ersten Punktspieleinsätzen. Zwar gelingen ihm dabei nur sieben Punkte (insgesamt in zwei Einzeln und einem Doppel), doch in der Kneipe gilt er anschließend dennoch als Stimmungskanone.
So geht es einige Jahre dahin: ein TTR-Wert im beinahe nicht messbaren Bereich, ein Rekord der meisten Niederlagen am Stück bei den Vereinsmeisterschaften und eine kreisweite Bekanntheit wie einst der britische Skispringer „Eddy the Eagle“. Das Konzept von Unterschnitt und Überschnitt ist für ihn nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln und Aufschläge gelingen ihm ausschließlich direkt aus der Hand.
Doch eines Tages ist es tatsächlich soweit: Auf der anderen Seite des Tisches steht bei einem Punktspiel aus der Not geboren ein zwölfjähriger Jugendspieler, dessen Talente offenkundig in Bereichen ohne Ball liegen müssen – und ohne Bewegung. So gewinnt der blutige Anfänger nach umkämpften fünf Sätzen und unter lautem Jubel seiner Mitspieler tatsächlich sein erstes offizielles Spiel und begießt diesen Tag ausgiebig mit Gerstensaft.
Doch als in der Woche drauf ein offensichtlicher Nichtskönner zum ersten mal im Training aufkreuzt und verzweifelt einen Spielpartner sucht, verdreht der nicht mehr ganz so blutige Anfänger nur genervt die Augen und winkt ab – muss das wirklich sein?
Da spielt er diese Saison: In der letzten Mannschaft. Wenn überhaupt.
Das sind seine Ziele: Sich sportlich zu betätigen.
Das typische Zitat: „Wie jetzt – Unterschnitt?“
Das untypische Zitat: „Und dann hab ich den einfach von der Platte geblasen.“
Bereits erschienen:
Folge #18 – Der knallharte Optimierer
Folge #17 – Der Psychotrickser
Folge #16 – Der Trainingsweltmeister
Folge #9 – Der Abteilungsleiter
Folge #8 – Der ständige Ersatzmann
Folge #7 – Der Materialspezialist